Den meisten der Generation 50plus ist der „Aperitivo" erstmals
in Form eines Campari Soda, begleitet von Erdnüssen, unter gekommen. Geschmeckt
hat er nicht, das kam später, aber er war so schön rot und man konnte sich ein
bißchen gruseln
bei dem Gedanken an die Schildläuse, die dafür ihr Lebenließen.
Heute wird die Farbe synthetisch hergestellt und der Campari gilt als eher
langweilig, zumindest als Getränk. Aber die Campari-Soda-Fläschchen im
30er-Jahre-Look bündelt man gerne mal zu dekorativen Lampenschirmen
Das appetitanregende Getränk, erstmals 1860 in Novarra
ausgeschenkt, erfreute sich vor allem in Mailand rasch großer Beliebtheit. Dort
wurde dann auch der Aperitivo in seiner heutigen Form erfunden, heißt es.
Doch nicht nur in Mailand, auch in Turin und besonders in
Genua ist der Aperitivo seit langem fester Bestandteil des Tagesablaufs. Man
steht nach der Arbeit noch mit Kollegen zusammen, oder trifft sich mit
Freunden, das Glas in der einen Hand, die andere frei für den Griff nach den
Häppchen, die den Aperitivo erst zu dem machen, was er ist, ein
Lifestyle-Produkt.
Nüsse, Chips, kleine Focaccia-Stückchen und Taggiasca-Oliven
sind das Mindeste, was man erwarten kann, wenn man in den frühen Abendstunden
in einer Bar, einem Szenetreff, Café
oder einer antiken Osteria ein alkoholisches Getränk bestellt, egal ob
Wein, Aperol, Bellini, einen Cocktail oder den „apertitivo della casa", die
Eigencreation des Hauses.
Oft kommt der Aperitivo aber auch in abwechslungsreicherer
Form und in überbordender Fülle am
Tisch oder an der Bar an: Sardellen und sonnengetrocknete Tomaten, gegrilltes
Gemüse, Stückchen von Frittata und herzhaften Torten, Lachs Kanapees, gegrilltes
Fleisch, frittierter Fisch, Wurstspezialitäten, Käseecken, oder gar Tintenfisch
mit Petersilie und Öl ersetzen schier das Abendessen.
In den landwirtschaftlichen Regionen Italiens ist der
Aperitif in dieser Form ebenso wenig Usus, wie südlich von Rom und nördlich der
Alpen. In diesen Regionen beginnt sich der Brauch erst langsam zu etablieren.
Der deutsche Dämmerschoppen hat mit dem italienischen
Aperitivo außer der frühen Abendstunde nichts gemeinsam. Schon der Name
lässt
jegliche Leichtigkeit vermissen und weckt dumpfe Assoziationen von Römerglas und
Vereinslokal.
Während in Deutschland der "Sundowner", wie der Amerikaner
sagt, sich gerne mal bis Ultimo
verlängert, belassen es die Italiener oft bei einem Getränk und
ziehen dann weiter zum Essen. Wenn es auf 20.00 Uhr zugeht, zerstreuen
sich die
Gäste. In den Großstädten sieht es freilich anders aus. Da ist der
Aperitivo für die Szenegänger eine preiswerte Alternative zum
Abendessen: Eat all you can am Buffet für den Preis eines Cocktails.
„Stuzzichini" heißt übrigens das Zauberwort, wenn man Happen
bestellen will.