Es ist spät im Jahr, das Wetter in Ligurien aber noch traumhaft
schön. Leider muss ich gerade jetzt kurzfristig einen Termin in München
wahr nehmen. Weil aber das Auto der Mobilität wegen an der Blumenriviera
bleiben soll, ergibt sich ein kleines Problem. Lufthansa
hat natürlich
gerade keines der sensationellen
99 Euro-Angebote im Programm, der kommende Feiertag lässt zudem jede
Hoffnung schwinden, mit einer anderen Fluggesellschaft einigermaßen
günstig über die Alpen zu kommen. Die Freunde und Freundinnen denken
entweder gar nicht daran, jetzt schon ihre Zelte in Ligurien abzubrechen
und mich mitzunehmen, oder kommen just an diesem Wochenende erst
angereist.
Die Bahn? Diese Kapitel ist für mich abgehakt, jedenfalls was
Schlafwagenabteile und zweimal Umsteigen mit 10 Minuten Hetzjagd
dazwischen anbelangt.
Da fällt mir doch die gute alte Mitfahrgelegenheit wieder ein. Schon
einmal hatte ich vor vier Jahren die Erfahrungen aus Studientagen wieder
aufgewärmt. Notgedrungen, denn ich hatte wegen eines Bombenfundes auf
der Bahnstecke Genua - Mailand den Anschluss nach Verona und in Folge
dessen auch der Zug über den Brenner verpasst. Über mitfahrgelegenheit.de organisierten
meine Freunde per Handy für mich eine Weiterfahrt ab Verona. Eine
Denkwürdige dazu: Im nagelneuen schwarzen Sportwagen, gesteuert von
einem Designer der Münchner Motorenwerke, flog ich in 3 ½ Stunden über
die Alpen, wurde bis vor die Tür gefahren und gekostet hat es auch
nichts: „Zahlt BMW".
Warum also diesmal nicht gleich von vornherein diese Möglichkeit in Anspruch nehmen?
Das Angebot ist allerdings dünn, viele Fahrten ab Mailand, Verona,
eine ab Genua. Unter „Fahrzeugtyp" lese ich: Bequemer 3er-BWM ...
Eingedenk meiner positiven Erfahrung rufe ich an. Ja, es ist noch ein
Platz frei. Und wo treffen wir uns? Ich komme aus Imperia ... Am anderen
Ende der Leitung herrscht kurz Schweigen, dann stellt sich heraus, dass
meine Mitfahrgelegenheit nur ein Seitental weiter wohnt. Das kostet
dann statt 40 Euro ab Genua 45 Euro, ob das okay sei?
Zur vereinbarten Zeit, es gießt in Strömen und ist schon dunkel,
steige ich an der Piazza Dante in Imperia ins Auto, meinen Trolley
schiebt der elend lange junge Mann in den Kofferraum zwischen Funboard
und lose Klamotten. Es macht Ihnen doch nichts aus... in Genua am
Bahnhof steigt noch ein "Mädel" zu und in Verona wartet auch noch jemand
... Nein, natürlich macht es mir nichts aus. Man kommt unweigerlich ins
Reden, auf einer langen Fahrt. Nach und nach stellt sich heraus, dass
der BMW-Kombi bei Sixt geliehen ist, ein Wochenend-Schnäppchen, mit
Vollkaskoversicherung 150 Euro. Die Rechnung von - nennen wir ihn Ralf -
geht auf, wenn er für Hin- und Rückfahrt jeweils drei Mitfahrer findet.
Freitagabend hatte er den Wagen in München voll geladen und mit
allerlei Umwegen 10 Stunden nach Imperia gebraucht. Den nächste und
übernächsten Tag stand er von früh bis spät auf dem Surfbrett. Viel
Schlaf kann Ralf also nicht bekommen haben, in den letzten 72 Stunden.
Sehr beruhigend. Hoffentlich hält die Wirkung des Red Bull, den er sich
gerade reinzieht, lange vor.
Am Bahnhof stehen wir uns die Beine in den Bauch, bis endlich Lauren
auftaucht, die schon die Hinfahrt mit Ralf bestritten hat, auch sie
Studentin. Irgendwie komme ich mir plötzlich steinalt vor, auch, weil
mich die beiden erstmal Siezen. Da klingelt das Handy: Verona sagt ab.
Man sieht förmlich, wie es im Kopf von Ralf rattert. Er ruft sofort
einen weiteren Kandidaten an, dem er zuvor hatte absagen müssen, weil er
bereits „ausgebucht" war. Ob Ralf ihn in der Mailänder Innenstadt
abholen könnte? Ich sehe schon unsere Ankunft in München auf die frühen
Morgenstunden vertagt. Doch jetzt gibt Ralf richtig Gas. Er will
schließlich etwas haben, von dem 3-er-BMW. Bei 240 kmh steigt Ralf auf
die Bremse und wir bewegen uns wieder vorschriftsmäßig auf unser Ziel
zu. Das wiederholt sich etliche Male, anfallartig. Ich versuche, nicht
auf den Tacho zu schauen. Aber ehrlich: Man merkt die Geschwindigkeit
kaum, außer vielleicht dadurch, dass die Autostrada auf einmal so
kurvenreich und holprig ist.
Lauren, eine muntere Deutsch-Kanadierin, die später einmal mit dem
THW nach Afrika gehen will, verkürzt uns die lange, dunkle Nacht.
Inzwischen hat auch Mailand abgesagt, Lauren und ich sind erleichtert,
Ralf guckt etwas aufgeschreckt oder kämpft er nur mit dem Schlaf? Das
Gespräch verstummt. Als wir nach 8 Stunden - immerhin! - in München
ankommen, fährt noch die S-Bahn. Am Rosenheimer Berg lässt uns Ralf
raus. Er kann sich jetzt kaum noch auf den Beinen halten kann. Lauren
und ich haben, völlig überdreht - noch einen Heidenspaß, während wir auf
die S-Bahn warten.
Würde ich es wieder tun? Ja - wenn alle Stricke reißen.