Montag, 24. November 2008

Mitfahrgelegenheit: Ein Erlebnis

Auto-Cockpit
Es ist spät im Jahr, das Wetter in Ligurien aber noch traumhaft schön. Leider muss ich gerade jetzt kurzfristig einen Termin in München wahr nehmen. Weil aber das Auto der Mobilität wegen an der Blumenriviera bleiben soll, ergibt sich ein kleines Problem. Lufthansa
hat natürlich gerade keines der sensationellen 99 Euro-Angebote im Programm, der kommende Feiertag lässt zudem jede Hoffnung schwinden, mit einer anderen Fluggesellschaft einigermaßen günstig über die Alpen zu kommen. Die Freunde und Freundinnen denken entweder gar nicht daran, jetzt schon ihre Zelte in Ligurien abzubrechen und mich mitzunehmen, oder kommen just an diesem Wochenende erst angereist.
Die Bahn? Diese Kapitel ist für mich abgehakt, jedenfalls was Schlafwagenabteile und zweimal Umsteigen mit 10 Minuten Hetzjagd dazwischen anbelangt.

Da fällt mir doch die gute alte Mitfahrgelegenheit wieder ein. Schon einmal hatte ich vor vier Jahren die Erfahrungen aus Studientagen wieder aufgewärmt. Notgedrungen, denn ich hatte wegen eines Bombenfundes auf der Bahnstecke Genua - Mailand den Anschluss nach Verona und in Folge dessen auch der Zug über den Brenner verpasst. Über mitfahrgelegenheit.de organisierten meine Freunde per Handy für mich eine Weiterfahrt ab Verona. Eine Denkwürdige dazu: Im nagelneuen schwarzen Sportwagen, gesteuert von einem Designer der Münchner Motorenwerke, flog ich in 3 ½ Stunden über die Alpen, wurde bis vor die Tür gefahren und gekostet hat es auch nichts: „Zahlt BMW".
Warum also diesmal nicht gleich von vornherein diese Möglichkeit in Anspruch nehmen?

Das Angebot ist allerdings dünn, viele Fahrten ab Mailand, Verona, eine ab Genua. Unter „Fahrzeugtyp" lese ich: Bequemer 3er-BWM ... Eingedenk meiner positiven Erfahrung rufe ich an. Ja, es ist noch ein Platz frei. Und wo treffen wir uns? Ich komme aus Imperia ... Am anderen Ende der Leitung herrscht kurz Schweigen, dann stellt sich heraus, dass meine Mitfahrgelegenheit nur ein Seitental weiter wohnt. Das kostet dann statt 40 Euro ab Genua 45 Euro, ob das okay sei?

Zur vereinbarten Zeit, es gießt in Strömen und ist schon dunkel, steige ich an der Piazza Dante in Imperia ins Auto, meinen Trolley schiebt der elend lange junge Mann in den Kofferraum zwischen Funboard und lose Klamotten. Es macht Ihnen doch nichts aus... in Genua am Bahnhof steigt noch ein "Mädel" zu und in Verona wartet auch noch jemand ... Nein, natürlich macht es mir nichts aus. Man kommt unweigerlich ins Reden, auf einer langen Fahrt. Nach und nach stellt sich heraus, dass der BMW-Kombi bei Sixt geliehen ist, ein Wochenend-Schnäppchen, mit Vollkaskoversicherung 150 Euro. Die Rechnung von - nennen wir ihn Ralf - geht auf, wenn er für Hin- und Rückfahrt jeweils drei Mitfahrer findet. Freitagabend hatte er den Wagen in München voll geladen und mit allerlei Umwegen 10 Stunden nach Imperia gebraucht. Den nächste und übernächsten Tag stand er von früh bis spät auf dem Surfbrett. Viel Schlaf kann Ralf also nicht bekommen haben, in den letzten 72 Stunden. Sehr beruhigend. Hoffentlich hält die Wirkung des Red Bull, den er sich gerade reinzieht, lange vor.

Am Bahnhof stehen wir uns die Beine in den Bauch, bis endlich Lauren auftaucht, die schon die Hinfahrt mit Ralf bestritten hat, auch sie Studentin. Irgendwie komme ich mir plötzlich steinalt vor, auch, weil mich die beiden erstmal Siezen. Da klingelt das Handy: Verona sagt ab. Man sieht förmlich, wie es im Kopf von Ralf rattert. Er ruft sofort einen weiteren Kandidaten an, dem er zuvor hatte absagen müssen, weil er bereits „ausgebucht" war. Ob Ralf ihn in der Mailänder Innenstadt abholen könnte? Ich sehe schon unsere Ankunft in München auf die frühen Morgenstunden vertagt. Doch jetzt gibt Ralf richtig Gas. Er will schließlich etwas haben, von dem 3-er-BMW. Bei 240 kmh steigt Ralf auf die Bremse und wir bewegen uns wieder vorschriftsmäßig auf unser Ziel zu. Das wiederholt sich etliche Male, anfallartig. Ich versuche, nicht auf den Tacho zu schauen. Aber ehrlich: Man merkt die Geschwindigkeit kaum, außer vielleicht dadurch, dass die Autostrada auf einmal so kurvenreich und holprig ist.

Lauren, eine muntere Deutsch-Kanadierin, die später einmal mit dem THW nach Afrika gehen will, verkürzt uns die lange, dunkle Nacht. Inzwischen hat auch Mailand abgesagt, Lauren und ich sind erleichtert, Ralf guckt etwas aufgeschreckt oder kämpft er nur mit dem Schlaf? Das Gespräch verstummt. Als wir nach 8 Stunden - immerhin! - in München ankommen, fährt noch die S-Bahn. Am Rosenheimer Berg lässt uns Ralf raus. Er kann sich jetzt kaum noch auf den Beinen halten kann. Lauren und ich haben, völlig überdreht - noch einen Heidenspaß, während wir auf die S-Bahn warten.

Würde ich es wieder tun? Ja - wenn alle Stricke reißen.