Mittwoch, 25. Juni 2008

Skulpturenpark Tra i Mondi in Lingueglietta

Wer in San Lorenzo zum Strand will, kommt fast zwangsläufig an ihm vorbei, dem Cerberus. Vom Höllenhund der griechischen Mythologie freilich hat die Skulptur wenig, trotz ihrer imposanten Größe. Ein Schwanzwedeln würde man ihm eher zutrauen, wäre er
nicht in Bronze gegossen.

Die Kinder jedenfalls lieben ihn, lassen sich auf seinen breiten Rücken heben, der schon ganz blank geschubbert ist. Auch das geöffnete Maul, das scheinbar ein Lächeln umspielt, haben schon viele Hände berührt. Kunst zum Anfassen - selten wird das Konzept so selbstverständlich angenommen, wie hier.

Die Schöpferin des Cerberus, Carin Grudda, lebt und arbeitet nicht weit entfernt in Lingueglietta.

Hinter dem Bergdorf zieht sich ein schmaler Weg hinunter durch die Olivenhaine. Wenn er nach geraumer Weile wieder hinauf führt und am letzten steilen Stück des Anstiegs links und rechts bemalte Holzpfähle auftauchen, ist man fast angekommen und steht vor der "Großen Frau", die zum Willkommen die Arme weit geöffnet hält.

Das Atelier überrascht als halboffene Konstruktion unter einem ausladenden Dach. Ein Kamin aus Natursteinen sorgt an kühlen Tagen für angenehmes Klima. Hier entstehen die großformatigen Bilder, Holzobjekte, kleinere Skulpturen und Grafiken. Die großen Bronzen entwirft und gießt die in Gudensberg bei Kassel geborene Künstlerin in Rom.

„Ich fange an, ich beginne, ich habe eine Idee, aber ich weiß nicht, wohin mich diese Idee führt". Absichtslosigkeit als Konzept, „so wie sich der Schnee rhythmisch auf Bäumen verteilt". Tonnen von Ton bewegt die 55-Jährige auf dem Weg zur Form. Beim Gießen legt sie selbst mit Hand an, Knochenarbeit. Die Produktion ist zeitaufwändig und immer ungewiss in ihrem Ausgang. Auch hier verschafft die Künstlerin dem Zufall Geltung. „Zum System von Zufall und Ordnung gehört für mich auch das Thema Metamorphose, das heißt stetige Veränderung, nicht aber als zielgerichtete Entwicklung zu verstehen."


Dass Carin Grudda neben Kunstgeschichte auch Philosophie studiert hat, wird im Gespräch mit ihr immer wieder deutlich. Nach vielen Stationen (Rom, Madrid, Paris, Miami, Lanzarote) des menschlichen und künstlerischen Werdens kommt sie schließlich in Ligurien an, wo sie über die Malerei zur Kaltnadelradierung findet und 1998 schließlich zur Bronze.

Heute sind viele ihrer Werke in öffentlichem Besitz, ihre 5 Meter hohe "Blau-Miau" hat jüngst eine abenteuerliche Reise nach Neuchatel angetreten, wo sie für ein Jahr zu Gast sein wird im Centre Dürrenmatt.

Wenn Carin Grudda zu Hause in Lingueglietta ist, kann man sie häufig am Strand antreffen, neben sich Hund Onyx. Sie sammelt Treibgut - "Material, das schon mal ein Leben gehabt hat und von diesen Spuren berichtet", erläutert die Künstlerin. Daraus entstehen die „Spurenbilder", auf Druckplatten montierte und in Bronze gegossene Sohlen, Schuhe, Kronkorken, Hozstücke, rostige Dosen ...

Als „Grenzgängerin" hat man Carin Grudda schon bezeichnet, als „Zauberin" und „Alchimistin" , als „Hexe, die die Dinge mit verschwörerischen Medusenblick zu bannen weiß, die die Zeit anhalten kann und mit dem Tod verkehrt" (Gabriele Mina, Savona, in einem unveröffentlichten Manuskript).

„Zwischen den Welten" (Tra i Mondi) heißt nicht von ungefähr Carin Gruddas Skulpturengarten.
Das weitläufige Gelände lässt den Skulpturen den Raum, den sie brauchen und dem Betrachter die Muße, sich auf sie einzulassen, mit einem Glas Wein und dem Lageplan in der Hand umher zu schlendern, den Blick aufs Meer zu genießen und Zwiesprache zu halten mit dem „Wolf" und der kleinen „Blau-Miau".