Donnerstag, 11. Juni 2015

Schätze im Schatten der Oliven

Beim Graben unter den Oliven stoßen die Bauern in der Gegend um Borgomaro immer mal wieder auf verrostete und patinagrüne Knöpfe, Schnallen und fremdländische Münzen, deren Herkunft lange Zeit rätselhaft blieb. Das Hinterland Liguriens
war schon immer arm und rückständig, das Leben eine endlose Plackerei. Der Boden gab nicht viel her. Verstreute Siedlungen, viele davon heute längst vergessen, prägten das Bild.

So ist etwa der Flecken Costa Ronseglia, auf der rechten Seite des Flüßchens Maro, zwar ab 1634 urkundlich erwähnt, doch heute findet sich keine Spur mehr davon. Nur der Name hat die Zeiten überdauert. Selbst das der Heiligen Anna geweihte Oratorium ist verschwunden. Man geht davon aus, dass der Bildstock der Heiligen Anna, an einem Eselspfad, der schon seit Urzeiten von Borgomaro nach Lucinasco führt, die Stelle markiert, an der einst das Gebetshaus stand.

Mit der Invasion französischer Truppen in Ligurien im frühen 19. Jahrhundert wurde Costa Ronseglia endgültig aufgegeben, die Gehöfte und das Oratorium im Laufe der Jahrhunderte bis auf die Grundmauern abgetragen und die Steine beim Bau der Trockenmauern wiederverwendet.

Von der großen Armut der einstigen Bewohner Costa Ronseglias im 18. und 19. Jahrhundert erzählen nur noch die rätselhaften Fundstücke in der Erde. Die Objekte sind offenbar Überreste von Kleidungsstücken. Doch wie kamen sie dorthin?

Es herrschte damals eine fürchterliche Hungersnot. Die Oliven zu düngen war überlebenswichtig, aber womit? Man hatte ja selbst nichts. So verfiel man auf die Idee, in Marseille für wenig Geld die eigentlich zum Verbrennen bestimmten Kleider von Cholera-Opfern aufzukaufen und sie unter den Oliven zu vergraben. Haufenweise gelangten die traurigen Hinterlassenschaften nach Andora, Oneglia und Taggia und von dort ins Hinterland. Ein Biodünger, denn in dieser Zeit wurde ausschließlich Wolle, Leinen und Hanf verwebt.

Augusto Guglieri, Mitglied des Kulturvereins A Lecca, hat eine kleine Sammlung dieser kuriosen Fundstücke: Knöpfe und Schließen von französischen und italienischen Marineuniformen, von sardischen Grenadieren, sogar Schrotgeschosse aus napoleonischer Zeit sind dabei.

Wer weiß, was für ungehobene Schätze noch im Schatten der Oliven ruhen.