Samstag, 29. November 2014

Trekking-Tour nach Nizza

Ligurien ist für Wanderer ganz schön anstrengend
Eigentlich ist im Moment kein Wanderwetter, aber diese Tour möchte ich den mondoligure-Lesern nicht vorenthalten. Andrea und Stefan hatten sich im Oktober vom ligurischen Boscomare aus auf den Weg ins französische Nizza gemacht - zu Fuß. Jeder, der schon mal in Ligurien aufs Geratewohl losmarschiert ist, nur eine Karte in
der Hand, wird sich in
ihren Erlebnissen wiederfinden. Unverdrossen kämpften die beiden sich durch dorniges Unterholz, hangelten sich über Abgründe, erklommen Steilhänge auf allen Vieren, bis zu Erschöpfung. Sie nahmen die Zumutungen mit Humor. Belohnt wurden sie mit spannenden Begegnungen und Orten - Warzenschweinen etwa und Reinkarnationen von Druiden, Zaubervillen und schäbigen Hotels. Zur Nachahmung nur bedingt zu empfehlen, zum Lesen aber unbedingt.

Von Andrea und Stefan -  Start: 09.10.2014

1. Tag: Boscomare - Bajardo

Nachdem uns Kramers freundlicherweise zu nachtschlafender Zeit aus dem Gewusel von Taggia bis zum Start des Wanderweges brachten, ging es sofort stramm auf Höhe. Nach zwei Stunden mit ersten unauffindbaren Wegkreuzungen kam ein Signore mit kleinem Fiat und bot uns einen kurzen Shuttle an, weil der Weg doch sehr kompliziert und lang sei. An einer Gabelung hielt er und meinte, ...
dies sei die Einfahrt zu seiner Berghütte - unser Weg ginge geradeaus. Das stimmte aber nicht und es kostete uns eine halbe Stunde bis wir schließlich zum richtigen Kurs kamen.


Erschöpfte WanderinRotkäppchenzimmer

Der Weg war wild und spannend. Nach weiteren zwei Stunden waren wir zu tief ins Tal geraten. Wir mussten auf den Höhenweg, also 500 Höhenmeter durch dorniges Unterholz. Das ging ans Eingemachte... und nicht zu knapp. Oben gab es eine kurze Pause und dann weitere drei Stunden gen Westen auf dem Grad, umzingelt von Mittwochsjägern und gefühlten Wildschweinen. An einem Pass entschieden wir uns bis Bajardo mitnehmen zu lassen, was nach 3 Minuten auch ein nettes Pilzsuchergespann übernahm. Bajardo ist zauberhaft mit einem alten Druidenplatz und einer eingestürzten Kirche, die vor 90 Jahren das halbe Dorf unter sich begrub.

Auf Zimmersuche passierten wir ein verwunschenes Schlosshaus mit Eseln, Warzenschweinen und einem spannenden Schaf. Der Dorfwirt bot an eine Bleibe für uns zu finden und telefonierte mit einer Dame, die uns in einer Stunde einsammeln wollte und das auch tat. Lange rote Haare, afghanische Hosen und natürlich die Hausherrin der Zaubervilla... Beim Wirt der Trattoria gab es frische Pilze, der vernebelte Vollmond tat sein übriges... und morgen gehts nach Dolceaqua! Buona notte. Stefan

Ergänzung von Andrea:
Den Berg aufwärts, das heißt klettern, sich an Bäumen hochziehen und währenddessen überlegen, wie man das alles überlebt und dann noch den Ehemann mit dem roten T-Shirt erfolgreich um die Ecke bringt. Bajardos Katzen sind weiß mit stechend blauen Augen, die Inkarnation der Druiden? Und wir schliefen im Rotkäppchenzimmer.

2.Tag: Bajardo - Dolcacqua


Aufenthalt in Dolceacqua
Bei der Zauberfrau noch Lavendelöl eingekauft und los gings. Der Anfang war sehr schön. Es ging einen schmalen melodischen Weg entlang, durch Kastanienhaine, Lianen und herbstliches Laub, eine Mischung zwischen Dschungel und Alpen. Aber ich weiß auch nicht, warum diese Wege immer einfach enden. Zuerst war es noch ein Tierpfad, der wurde immer steiler und irgendwann merkten auch wir, dass Wildschweine eben doch wesentlich kleiner sind als Menschen. Die Dornen umwickelten uns wieder. Jetzt weiß ich wie sich der Prinz von Dornröschen fühlte! Ich jedenfalls hätte jeden Prinz genommen, der mich da wieder herausgeholt hätte. Mit zerschundenen Beinen kämpften wir uns um die Mittagszeit bis nach Apricale durch. Das Wasser am Brunnen erfrischte und der Cappuccino und Cordino ebenso. Wir wagten die nächste Etappe.

Stilvoll wohnen unterwegsJetzt wissen wir, wie man hier Land gewinnt: Man zäunt einfach ein großes Gebiet mit hohen Zaun ein - auch wenn da ein Wanderweg durchgeht - und lässt die Wanderer am Felsen hängen. Wenn dann wirklich nichts mehr geht außer Klettern an dornigen Steilhängen, dann ist das doch recht hart. Ich verlor meine schöne rosa Jacke und Stefan seine Knie beim Runterklettern. Das Dorf Isolabona empfing uns nicht so freundlich. 2 km zum Agriturismo und wieder zurück, weil die keine Gäste haben wollten. Wir sind dann nach Dolceacqua getrampt, haben das erste B&B gewählt und sind verzaubert. Alte Deckenbemalung, Küche mit Gasherd, Dachterrasse mit Blick auf die antike Brücke (von Monet gemalt), hier haben wir den Abend ausklingen lassen. Andrea

...Nun wissen wir nicht so recht, wie wir uns vor Muskelkater rühren sollen um wieder ans Meer zu gelangen. Dort wollen wir den alten Schmugglerpfad über die Grenze nach Frankreich finden... we'll see.. Stefan 


3.Tag: Dolceacqua - Menton

Dachten wir uns doch, die Italiener können auch Wanderwege! Erste Hürde war, Andrea davon zu überzeugen, dass der Weg zum Meer am besten über den alten Ligurischen Höhenweg zu gehen sei. Das heißt zunächst 600 Meter aus dem Tal aufsteigen. Wieder herrlichste Sonne, schöne Olivenhaine und Thymianduft überall. Dann kam nach 2 Stunden schweißtreibenden Aufstiegs und einer Stunde Höhenweg ein Bergabriss, der Weg war einem Erdrutsch zum Opfer gefallen und wir mussten weitere 200 m über den höchsten Peak auf abenteuerlichen Pfaden klettern. Danach ein paar Stunden beschauliches Wandern mit wenig Höhenverlust, bis wir quasi ins Meer springen konnten- allerdings aus 600m Höhe. Der Abstieg nach Ventimiglia war also noch mal recht heftig, wurde aber mit einem erfrischenden Bad im Meer belohnt. Zum nächsten Dorf auf den Klippen fuhr leider kein Bus mehr, weshalb wir den Zug nach Menton nahmen. Dem Überangebot an B&Bs in Italien stand hier nun die totale Unterversorgung gegenüber. Wieder fanden wir eine nette Wirtin- allerdings im schäbigsten Hotel der Stadt nach EINER STUNDE SUCHE. Egal, die Füße brennen und ein guter Cidre lässt uns auch hier schlafen.
... Aber die Lage war super: neben dem Cocteau- Museum und der Markthalle zum Frühstücken. Bevor die Stadt erwacht: ein Fischhändler verliert eine Palette Fische auf einer Kreuzung... herrliche Flüche und Bilder, Middle-aged- Blondinen, die gestresst ihr Morgenjogging am Strand starten, drei Stadtstreicher, die froh sind, dass auch diese Nacht nun vorbei ist. Welch eine Freude!
Morgen soll es über den Schmugglerweg weiter nach Eze gehen... Mit Schwimmen zwischendurch sollte das machbar sein.

4.Tag: Menton - Nizza


Zuversichtliche Wandererin
Nach dem Markt, während des Regens ins Museum. Cocteau, Picasso und Matisse. Die Klassiker der Côte Azur. Danach war es ein "zu, durch und von".
Bis zum Schmugglerweg zog sich Menton lang, durch Monaco ebenso und von da ab durch ewige Betonburgen zu einem kleinen Hotel. Der Weg am Meer ist schön: Ein betonierter Weg und rechts die Variationen von Zäunen zum Schutz der Villen. Die Weite des Meeres ist bestrickend. Hier übernachten wir in einem Hotel mit ein wenig Kunst oder sagen wir, eine hübsche Norwegerin, Michele Ringstad, hat in den Siebzigern hier Partys und Kunst gefeiert.

Heute geht`s nach Nizza, der Kulturhauptstadt der Provence.

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