(Bäuerin), mit kritischem Blick aufs Wetter: Die Oliven sind reif und die Äste biegen sich unter der Last der ölig glänzenden Früchte - und bei Regen kann nicht geerntet werden. Seit ich vor einiger Zeit beschloss, meinen Aufenthalt hier in Ligurien solange auszudehnen, bis auch in meinem Dorf die Olivenernte beginnt, kreisen meine Gedanken um dieses eine Thema: Die Oliven in Eigenregie zu ernten und endlich in den Genuss eigenen Öles „extra vergine" zu kommen.

Unsere Olivensorte ist die berühmte „Taggiasca"-Olive, deren Ernte von November beginnt und, je nach Höhenlage, manchmal bis weit ins neue Jahr hineinreicht. Sie ist benannt nach dem Ort Taggia, wo die Benediktinermönche im 11. Jahrhundert mit dem organisierten Olivenanbau in den ligurischen Tälern begannen. Nur durch die Terrassierung der steilen Hügel war es überhaupt erst möglich, hier Olivenbäume zu pflanzen; durch präzise Auswahl und Veredelung züchteten sie die Sorte Taggiasca.
Olivenöl aus Taggiasca-Oliven ist als ein ganz besonders feines und mildes Öl bekannt, unaufdringlich und delikat, und es findet Anwendung in vielen internationalen Küchen.

Heute ist es endlich soweit: Dreiviertel der Oliven sind reif, der Helfer „Litti" hat zugesagt, der Wetterbericht sagt „bewölkt, aber kein Regen" – Gott sei Dank.
Morgens um sieben liegen schon die ersten Netze unter den Bäumen, die die Oliven auffangen sollen. Litti, bewaffnet mit einem Eisenrohr, drischt auf die Zweige ein und die Oliven regnen herab. Mein Job besteht darin, die Netze hochzuhalten, damit nicht so viele die „fascia" hinunterkugeln. Die Plastikkörbe, ausgeliehen von der Ölmühle, füllen sich schnell!
Leider schreitet auch die Zeit voran, die Arme werden lahm und die Kraft lässt merklich nach. Litti beendet seine Arbeit, trägt aber vorher die „Beute" in die cantina, denn für die Nacht und den nächsten Tag hat die Wetterstation „meteo.it" Regenschauer angesagt.
Ich bin in großer Sorge, denn wir haben einen Nachmittagstermin in dem „frantoio" für den nächsten Tag und sollten mindestens 10 „misure" (125kg) gesammelt haben, damit wir eine eigene Pressung bekommen. Eine eigene Pressung ist mein Traum, denn wir haben die Bäume weder kunstgedüngt, noch „chimica" gegen die Olivenfliege gespritzt, d.h. wir machen Bio!
In dieser Nacht schlafe ich ziemlich schlecht, immer horchend, ob es inzwischen regnet. Aber ich habe Glück, das Wetter lässt mich nicht im Stich! Der nächste Morgen ist freundlich, sogar ein paar Sonnenstrahlen kommen durch - allerdings stehen etliche dunkle Regenwolken in weiter Ferne in der Warteschleife. Ich bin sehr gespannt, ob Litti überhaupt auftaucht.

Nach meiner Schätzung müsste die Mindestmenge von 125 Kilo locker erreicht sein. Tatsächlich sind es 195kg, die wir am Nachmittag zur Ölmühle transportieren. Eine Stunde vor der vereinbarten Zeit machen wir uns auf den Weg, denn die Reinigung vom gröbsten Blätterwerk muss man an der „Windmaschine" vorab selbst erledigen.
Gut gesäubert werden die Oliven in einen großen Behälter umgefüllt, der dann gewogen wird.
Ab jetzt läuft alles nach Plan und meine Arbeit ist quasi erledigt.
Noch befinden sich unsere Oliven in der „Warteschleife", denn erst mal sind andere Olivenbauern dran. Wir müssen eine Stunde warten, ehe unsere Früchte auf dem Laufband zur Waschstraße befördert werden. Danach werden sie mit einem Mahlwerk aufgebrochen und zu einem pastösen Brei verrührt, der sogenannten Olivenmaische.

Bei der Verarbeitung der Oliven bis zum Olivenöl darf es maximal auf 27° Celsius erhitzt werden. Das zentrifugierte Öl wird in Edelstahltanks unter Sauerstoffausschluss gelagert. Hierzu wird die Luft im oberen Teil der Kessel durch Stickstoff ersetzt (dies ist die sogenannte Nitrogenmethode), eine Oxydation ist somit ausgeschlossen. Auch wenn das Öl erst ein Jahr später in Flaschen abgefüllt werden sollte, ist es hiernach noch mindestens 18 Monate haltbar.
Unser Öl wird natürlich nirgendwo gelagert, sondern direkt in meine mitgebrachten 20-Liter-Kanister abgefüllt. Es ist unglaublich, wie grasgrün das frisch gepresste Öl ist. Grün und trüb. Jetzt muss ich es zu Hause in Aluminium-Kanister umfüllen und über einige Wochen ruhen lassen, damit sich die enthaltenen Schwebstoffe absetzen können. Auf meine Frage nach dem Säuregehalt, antwortet Alberto Guasco, der capo der Ölmühle in Torre Paponi: 0,2%. Das ist wahrlich ganz und gar hervorragend! Denn ein Öl, das sich „olio extra vergine" nennen darf, muss unter 0,8% Säuregehalt liegen. Je geringer der Säuregehalt, desto hochwertiger ist das Öl.
Endlich sind die Kanister im Auto verstaut und wir machen uns, k.o aber zufrieden, auf den Weg nach Hause, um dort vor dem knisternden caminetto die Füße hochzulegen.
Ich habe zum ersten Mal 40 Liter eigenes „extra vergine Bio-Öl" produziert.
Was für ein traumhaftes Gefühl.