Die "Corsara" neigt sich bedenklich als sämtliche Passagiere
gleichzeitig nach Steuerbord stürmen: Die Beobachter im Ausguck haben
über die Lautsprecher einen Wal angekündigt. Es herrscht gespannte Ruhe,
der Schiffsmotor läuft leer, dann haben die Ersten auf der
flirrenden
Wasseroberfläche die Fontäne des Meeressäugers ausgemacht. "Da, da!",
rufen sie vielsprachig, Finger weisen die Richtung, Kameras klicken. Ein
"Capodoglio" ist es, ein Pottwal, einer von Vieren, die wir an diesem
Nachmittag zu Gesicht bekommen, 12 bis 14 Meter lang jeder und jetzt,
Mitte August, besonders häufig vor der Küste Liguriens anzutrefen.

Das Mittelmeer oder gar Ligurien kommt kaum jemandem in den Sinn,
wenn es um die großen Meeressäuger geht. Eher die Antarktis, Baja
California oder die Küste von Maine. Dabei tummeln sich im westlichen
Mittelmeer acht Vertreter der Gattung Cetacea, zu der auch die Delfine
zählen. Der außerordentliche Nahrungsreichtum des Gebietes zwischen
Korsika, Ligurien und dem provencalischen Meeresbecken lockt während des
Frühjahrs und Sommers besonders viele Wale und Delfine an. Aufgrund
dieser ökologischen Besonderheit und Wichtigkeit wurden 1999 rund 88.000
km² von Hyères über die Côte d'Azur bis in die südliche Toscana und dem
Norden Sardiniens durch die Anrainerstaaten Frankreich, Monaco und
Italien zum Wal- und Delfin-Schutzgebiet "Pelagos" erklärt. Pott- und
Schnabelwale, Streifendelfine sowie das mit einer Länge von über 24
Metern zweitgrößte Lebewesen auf der Erde, der Finnwal, sind hier
anzutreffen.

Auf der "Corsara" weiß der mitreisende Biologe ziemlich genau, wo
sich Wale und Delphine aufhalten. Die Ausflugsboote stehen unter
einander in Kontakt, Erfahrung und starke Ferngläser tun ein Übriges, um
einigermaßen sicher zu gewährleisten, dass den Fahrgästen für ihre 32
Euro auch wirklich etwas geboten wird. Manchmal sind es "nur" 70
Delphine, die zum besonderen Entzücken der Kinder vor und neben dem
Schiff ihre Synchronsprünge vollführen. An anderen Tage ist das gesamte
Spektrum geboten, Meeresschildkröten und Wale inklusive.
Von
Porto Maurizio aus geht es los, Richtung Osten, immer an der Küste
entlang. Bald kommt Diano Marina in Sicht, Albenga, Alassio, Cervo sind
klar zu erkennen, dahinter die Silhouette der Seealpen. Nach 50 Minuten
macht die "Corsara" Station in Andora, wo nochmal so viele Passagiere
zusteigen, wie in Porto Maurizio, junge Leute vor allem, viele mit
Kindern, von denen einige "Flipper" und "Free Willy" im Kopf haben
dürften. Nicht allen bekommt die Weiterfahrt aufs offene Meer. Bald
sieht man das eine und andere grüne Gesicht. Einer der Passagiere
verbringt die gesamte Reise liegend, umsorgt von zwei entnervten Damen.
Dabei ist kaum Seegang zu verzeichnen, an diesem heißen Sommertag. An
Bord gibt Chips und nicht viel mehr. Vielleicht auch besser so.

Nach
der ersten Sichtung stellt sich Jagdfieber ein. Eine plötzliche
Kursänderung kündigt den nächsten Wal an. Die Stimme aus dem Ausguck
überschlägt sich: "Backbord, auf vier ... ", Italienisch und Englisch,
beides schwer verständlich. Doch der Wal taucht ab. Die "Corsara"
dümpelt vor sich hin. Ein Wal kann 30 Minuten unter Wasser bleiben,
bevor er zum Atmen wieder an die Oberkläche muss. Gespanntes Warten.
Plötzlich schaltet der Kapitän auf volle Fahrt, von Ferne sieht man die
Wasserfontäne aus dem Blasloch des Wals aufsteigen. Die "Corsara"
nähert sich bis auf 15 Meter dem knapp unter der Wasseroberfläche dahin
schwimmenden Riesen. Vom Ausguck werden die Atemstöße mitgezählt: "38,
39, 40 ... attenzione". Die Kameras sind gezückt, denn ziemlich
verlässlich auf 41 macht der Capodoglio den Rücken krumm, hebt unter
vielen Aaaahs und serienweise Klicks die Schwanzflosse aus dem Wasser -
und weg ist er. Alle sind glücklich und jetzt auch ein bisschen müde.
Die "Corsara" brettert zurück Richtung Imperia, wo sie nach sechs
Stunden wieder anlegt. Die Haut ist klebrig vom Meersalz und
sonnenverbrannt. Seeluft macht bekanntlich hungrig, doch wieder einmal
ist es zu früh, um nahtlos zum Essen zu gehen. Aus den Küchen der
Ristorante am Hafen von Imperia steigen zwar schon die Knoblauchdämpfe, aber die
Kellner winken ab. Zum Glück gibt´s ja das schöne Ritual des Aperitifs.
Hier findet man Näheres über Abfahrtszeiten und - orte, letzte Sichtungen etc. und kann telefonisch oder online einen Platz reservieren