Freitag, 18. Juni 2010

Mit dem Bici zum Markt in Arma di Taggia



Märkte in Italien üben eine magische Anziehungskraft aus. Ganz besonders auf Touristen. Selbst für uns Münchnerinnen, die wir doch  jederzeit auf dem berühmten Viktualienmarkt einkaufen können, ist der italienische Markt ein unbedingtes Muss. Weil er einfach so anders ist, als alles, was wir in Deutschland kennen. Im Grunde ist jeder
italienische Markt, der ein- oder zweimal pro Woche in allen etwas größeren Orten stattfindet, ein riesiges Einkaufszentrum. Hier gibt es nichts, was es nicht gibt. Von Möbeln und Frischfleisch einmal abgesehen

Ich muss jedenfalls immer montags auf den Markt nach Arma di Taggia. Das ist mein Lieblingsmarkt zwischen Imperia und San Remo. Nicht zu groß, nicht zu klein, ganz nah am Strand.

Wenn ich wollte, könnte ich mich dort jeden Montag an den zahllosen, wohlsortierten Ständen von Kopf bis Fuß in unglaublicher Vielfalt neu einkleiden - inklusive Unterwäsche, Sonnenhut und Parfum. Ich  könnte zudem meine Küche und mein Bad mit neuen, blitzenden Töpfen und flauschigen Handtüchern ausstatten und anschließend  das Olivenöl extra vergine, den Parmiggiano und gesalzenen Stockfisch aus dem soeben erworbenen Portemonnaie bezahlen, das ich nach längerem Kramen endlich in der ebenfalls neuen 50-Euro-Lederumhängetasche fände - wobei mir die Spaghettizange und die Wäscheklammern vom 1-Euro-Wühltisch ständig in die Quere kämen ... und natürlich würde mir dabei der luftige Seidenschal für 5 Euro sanft um den Hals wehen.

Sollten mir inzwischen von all dem Stehen und Schlendern und Anprobieren in  glühender Hitze die Füße weh tun, könnte ich schnell für 3 Euro ein Paar Flip Flops erwerben. Dann wäre die Welt wieder in Ordnung und mein letzter Einkauf beim netten Bauern, wo ich für lächerliche 2,50 Euro ein paar (ungestempelte) Eier, fleckige Zitronen und welkes Gemüse einpacke (natürlich alles „non trattato" -unbehandelt-, wie er versichert) würde ganz entspannt enden.
Ach ja, diese wunderbaren Markt-Preise!
Vielleicht sind sie neben der enormen Auswahl die Hauptattraktion ....
Vielleicht ist es aber auch die Schnäppchen-Atmosphäre .... Rechts und links große Schilder
1 x 3 €
4 x 10 €
Ja, da nehme ich doch gleich 4 mal Socken! Zwei Euro gespart. Und Socken braucht man immer.
Oder ist es die Tatsache, dass man dort zwangsläufig Bekannte trifft?  Vielleicht ist es alles zusammen. Ich weiß es nicht. Für mich gibt es nur einen einzigen Mangel an Markttagen: Parkplätze.

Also beschlossen wir, das Praktische mit dem Sportlichen zu verbinden und Arma di Taggia diesmal mit dem Fahrrad anzusteuern. Um halb elf trafen wir sechs Freundinnen uns zur Fahrradanmietung bei „ELIO SPORT" in San Lorenzo al Mare, einem Küstenstädtchen etwa 12 km östlich von Arma di Taggia. Seit vor einiger Zeit der Fahrradweg von Imperia nach San Remo eingeweiht wurde, sind diese kleinen Läden überall wie Pilze aus dem Boden geschossen. „NOLEGGIO BICI" heißt es kurz: Fahrradverleih.

Was für eine geniale Idee der Kommunen: Die, nach der Verlegung der Bahntrasse ins Hinterland, still gelegten Zug-Gleise, die sich wie eine ligurische Küstenwerbung am Meer entlang schlängeln, wurden nicht etwa dem Wildwuchs überlassen, sondern aufwändigst als perfekter Fahrradweg mit ausgewiesenem Gegenverkehr und schmalem Fußgängerstreifen ausgebaut. Keine Steigung, kein Gefälle. Alles schön glatt asphaltiert, ohne Löcher, ohne Huppel. Für Kinder so machbar, wie für Oldies. Die Fahrräder bei „ELIO SPORT" in gutem Zustand - Gangschaltung, Fahrradkorb, Flickspray für kleine Pannen und immer ein großes Schloss für zwei Räder. Der Sattel vor Fahrtantritt vom Besitzer persönlich auf die exakte Beinlänge eingestellt, ein Ausweis als Pfand hinterlegt - und es kann losgehen.

Nach Tagen brütender Hitze zeigte sich dieser Montag von seiner Radtour-freundlichsten Seite. Der Himmel  wolkenverhangen, dazu ein netter Ostwind in angenehmen 20 Grad, die allerdings in den 2 langen Tunnels auf gefühlte 5 Grad absanken - was man bedenken sollte, bevor man hinein fährt.
 Dank des Rückenwindes fuhr es sich locker und unbeschwert. Vorbei an nicht enden wollenden duftenden Ginsterhecken, Oleanderbüschen und kleinen Gärten, das Meer immer in Riech- und Sichtweite.

Nach exakt 32 Minuten war der Markt in Arma erreicht. Und was für ein stressfreies Hochgefühl: Es gab jede Menge Abstellplätze für unsere sechs Räder.

Als Frauen-Großgruppe kann man aber auf keinen Fall einkaufen gehen, weil es Stunden dauern würde, bis jede ihr Jäckchen, ihre Bluse, ihr Top, ihren BH oder ihre Jeans anprobiert und ausgewählt hat, während alle drum herum stehen und ihren Kommentar von „Nee..." bis „Sieht super aus" abgegeben haben. Also trennten wir uns. „Nichts aus China kaufen", rief Beate. Was? Wie? Nichts aus China kaufen? Billiglohnländer meiden, heißt die Devise. „Am besten nur Sachen MADE IN ITALY."

Dazu aber wusste Senta Unglaubliches. „Vor den Toren einiger italienischer Großstädte arbeiten Ostasiaten unter menschenunwürdigen Bedingungen und nähen Klamotten zusammen, die dann das Wapperl ‚Made in Italy‘ kriegen." Oh. Das ist ja furchtbar. Und Augenwischerei. Tja, manchmal hat man‘s  schwer mit der political correctness in Zeiten der Globalisierung. Interessanterweise haben aber einige Standbesitzer wohl schon gemerkt, dass Sachen aus China von Käufern gemieden werden, denn sie werben genau mit: „Made in Italy non China".

Gut bepackt und bereichert mit wunderbaren Blusen, Jacken und tatsächlich einem neuen Kochtopf trafen wir uns zum obligatorischen Mittagsimbiss in der „Bruschetteria" zwischen Markt und Strand. Die „Bruschetteria" ist Kult, sagen einige - wegen der riesengroßen Bruschette und der voluminösen Salatschüsseln. Für sechs Euro nicht gerade Markt-billig, aber ausgezeichnet. Dass dabei regelmäßig montags die Müllabfuhr Punkt 13.15 Uhr direkt vor der Nase die Glascontainer mit lautem Geklirre leert, stört nicht weiter. Ist eben italienisch.

Unsere Rückfahrt erwies sich wegen des heftigen Gegenwindes doch als relativ anstrengend. Aber klar, wer vorher Rückenwind genießt, hat später Gegenwind. Was allerdings eine Wettfahrt durch den letzten 2 km langen Tunnel nicht verhindern konnte - mit einer knappen aber strahlenden Siegerin, die sich anschließend anhören musste, dass man sie doch gerne habe gewinnen lassen. Freundinnen können so gemein sein - vor allem, wenn sie gemeinsam 377 Jahre alt geworden sind...

Absolut zufrieden haben wir um halb drei unsere Räder zurück gegeben und waren uns einig: Für sieben Euro hatten wir wirklich vier fröhliche Stunden.       Von Ulli Kappler


MÄRKTE IN LIGURIEN

Samstag

Oneglia, Cipressa, Pigna, Sanremo, Taggia, Alassio, Pietra Ligure, Varazze, Sestri Levante, La Spezia

Sonntag

Dolcedo (2. Sonntag im Monat), Badalucco, Isolabona, (1. Sonntag im Monat) Antiquitätenflohmarkt Diano Marina, (letztes Wochenende im Monat) Antiquitätenflohmarkt Alassio - Via Colombo, Pieve di Teco (3. So. im Monat)

Montag

San Bartolomeo al Mare, Riva Ligure, Arma di Taggia, Vallecrosia, Finalborgo, Savona, Ceriale, Andora,Porto Maurizio, La Spezia, Riva Trigoso

Dienstag

Diano Marina, Airole, Pompeiana, San Lorenzo al Mare, Sanremo, Seborga, Spotorno, Albissola Marina, Borghetto Santo Spirito, Borgio Verezzi, Sarzana

Mittwoch

Oneglia, Camporosso, Cipressa, Dolcedo, Ospedaletti, Perinaldo, Vallebona, Varigotti, Albenga, Albisola Superiore, Vado Ligure, Casarza Ligure

Donnerstag

Cervo, Porto Maurizio, Bordighera, Civezza, Dolceacqua, Triora, Finalmarina, Toirano, Finale Ligure, Noli, Rapallo

Freitag

Ventimiglia, Pietrabruna, Pontedassio, San Lorenzo al Mare, Santo Stefano al Mare, Loano, Celle Ligure, Laigueglia, Chiavari