Donnerstag, 6. März 2008

Traditionscafé - Das Piccardo in Oneglia

Bankgeschäfte, ein Notartermin, eine Besprechung mit dem Architekten, lästige Behördengänge, der Samstagsmarkt - was immer einen nach Oneglia bringt, am Café Piccardo an der Piazza Dante führt kaum ein Weg vorbei. Hier scheint
die Zeit stehen geblieben zu sein. Funkelnde Kandelaber, Spiegel, poliertes Holz und Messing bestimmen das noble Ambiente. Große Teile des Dekors sind noch aus dem Jahr der Eröffnung 1905. Kaum ein Laut dringt vom Kreisverkehr rund um den Brunnen herein.

Draußen unter den Arkaden stehen ein paar Tische. Die Touristen, die sie ansteuern, die gerade am Kiosk erstandene deutsche Zeitung unter dem Arm, werden vom Personal gerne geflissentlich übersehen. Drinnen haben die resoluten Schwestern Maria Teresa und Carla Piccardo den besseren Überblick.

In seinen Anfängen war das Café Treffpunkt der „Signori". Die vornehmen Herren der Stadt lauschten hier dem ersten Radio, hier hing das erste Telefon an der Wand. 1908 soll Mussolini für eine anzügliche Bemerkung von der Besitzerin eine Ohrfeige kassiert haben. Der berühmte Radrennfahrer Fausto Coppi nutzte einen 10-minütigen Vorsprung, um auf einen Kaffee vorbeizuschauen. Gestärkt schwang er sich wieder in den Sattel und gewann Mailand – San Remo.

Der Schriftsteller Italo Calvino, Präsident Alessandro Petrini und der Komponist Luciano Berio fühlten sich im „Piccardo“ zuhause... Und so darf sich das Café rühmen, in der eben erschienenen 32. Ausgabe von „Locali Storici d`Italia“ - zusammen mit dem 1872 eröffeten Royal Hotel in San Remo - wieder die Riviera di Ponente zu vertreten.

Das Überleben dieses zeitgeschichtlichen Kleinods ist aber keineswegs gesichert. An jeder Ecke der Piazza Dante gibt es inzwischen ein Café - was aber nicht bedeutet, dass man nach 9 Uhr abends auch noch einen bekäme. Anfang des Jahres erst hat der Traditionsbarbier Antonio Fasano, direkter Nachbar des Piccardo, das Handtuch werfen müssen, die Miete war einfach zu teuer geworden. In seinen ehemaligen Räumen soll – na, was wohl – eine Bar eröffnet werden.

„Bar(barisch)“ titelte sarkastisch „Imperia parla“.