Von Calabrone Normalerweise vermeiden wir es, in der Hauptsaison ans Meer zu
fahren. Von unserer Terrasse haben wir einen grandiosen Blick auf
selbiges. Die Strände sind überfüllt und es erfordert Glück, einen
Parkplatz zu finden. Heute aber hat die beste aller Ehefrauen
bestimmt:
Wir gönnen uns einen Strandtag! Früh wird die Strandtasche bestückt,
Sonnencreme, Lektüre usw. Alles was gestohlen werden kann, bleibt zu
Hause.
Noch ein paar Mal die Frage, kann ich den Bikini noch tragen, oder doch lieber den Einteiler?!
Dann geht’s los, erstaunlicherweise sind noch einige Parkplätze
hinter der Schranke frei. Der Betreiber des Strandes, ein Sizilianer,
ist offensichtlich nicht begeistert, zwei Strandliegen und einen Schirm
nur für einen Tag zu vermieten, aber mal sehen. Mit uns im Schlepp geht
er mit seiner Liste in der Hand die endlosen Liegestühle ab. Wie, in der
ersten Reihe wollen Sie einen Platz? Unmöglich! Die sind schon für das
darauffolgende Jahr von Stammkunden für den ganzen Sommer reserviert. Je
weiter vorne, desto wichtiger fühlen sich die Italiener. Viele
wohlhabende Torinesen und Milanesen besitzen hier Ferienwohnungen oder
Häuser.
Wir
besetzen unsere Liegen in der vorletzten Reihe und wollen schwimmen.
Die nicht unbedingt mutigste aller Ehefrauen, geht nur dann ins Meer,
wenn keine Wellen zu sehen sind, man den Grund klar erkennen kann, das
Wasser warm genug ist und ich vorgehe. Heute stimmt alles. Durch eine
Wand von Frauen, die wie Flamingos im Wasser stehen, allerdings auf zwei
Beinen, bahnen wir uns den Weg ins offene Meer.
Nach drei bis vier Schwimmzügen pfeift uns eindringlich und
unmissverständlich der Bademeister zurück, wild gestikulierend. Er nimmt
wohl an, wir seien Italiener und die können, auch wenn sie am Meer
leben, größtenteils nicht schwimmen.
So reihen wir uns bei den Flamingos ein. Unter dem ganzen Geschnatter
filtere ich diverse interessante Pastasoßen und Backrezepte heraus und
erfahre immer wieder, dass es doch sehr warm sei und lange nicht
geregnet hat.
Jüngere Frauen lassen sich auf ihren Liegen brutzeln. Ab und zu mahnt
der Timer-Klingelton des Smartphone/I-Phone zum Umdrehen. Die Großväter
kümmern sich rührend um die kleinen Enkel, blasen ihnen Minipools auf
und befüllen sie mit Wasser aus Eimern, oder helfen ihnen unermüdlich
Löcher in den Sand zu buddeln. Die Omas stopfen den Kleinen die Mäuler
mit Focaccia und Wassermelonen und immer wieder hört man die
Trillerpfeife des umsichtigen Bademeisters.
Die Mehrzahl der Männer hat offensichtlich früher in einer Goldmine
gearbeitet, schwere goldene Ketten mit dick dranhängenden Kreuzen und
massive Armbänder lassen sie nur schwer aus ihren Liegestühlen kommen,
ich komme mir armselig vor. Vor 30 Jahren hat meine damalige
Lebensgefährtin über meine Ray-Ban-Aviator gelästert, die ich mir in
Amerika gekauft hatte: „Du siehst aus wie Muck die Stubenfliege“. Jetzt
tragen alle, die es sich leisten können, oder auch nicht, diese
goldverspiegelte Pilotenbrille.
Die Toiletten befinden sich gleich hinter der Strandbar. Dort findet
gerade eine Verkostung edler Weine aus dem Piemont statt. Die Frauen
brutzeln weiter oder wickeln die Enkelkinder im Sand. Die Männer kippen
einen Plastikbecher nach dem anderen runter und das bei 32°! Die
Toiletten sind ständig besetzt, man hört Würgen und Stöhnen. Derweil
schreibt die wohlanzusehende Assistentin des Weinverkäufers - im knappen
leuchtfarbenen Bikini - Lieferaufträge. Ein paar Kisten von dem und
noch ein paar von jenem. Die ersten Genießer liegen schon am Boden.
Vielleicht noch eine Scheibe trockenes Weißbrot? Und wieviele Kisten von
dem?
Der Drang zu pinkeln bleibt, ich werde es wie all die anderen machen, ich schwimme ein paar Züge.
Nachdem ich mich wieder durch die immer größer werdende Schar der
Flamingos gequält habe, sagt meine Frau, guck mal, das ist doch zum
Totlachen! Am freien Strand klemmt eine Frau dick wie ein Wal in einem
aufblasbaren Gummisessel mit aufgemalten Seesternen, sie liest eine
bekannte Frauenzeitschrift. Auf dem Titelblatt steht: Wie komme ich
schnell zur Bikinifigur - wohl etwas zu spät! Vielleicht im nächsten
Urlaub!
Wir dösen ein wenig auf unseren Liegen in der ungeliebten vorletzten
Reihe, beim Geschrei der vielen Kinder. Als ich dann noch einen
verschossenen Ball an den Kopf bekomme, beschließen wir zu gehen. Wir
gönnen uns noch einen Aperitif mit netten Kleinigkeiten zum naschen und
beschließen den Tag auf unserer Terrasse - ein herrlicher Strandtag.
Das machen wir nächstes Jahr bestimmt mal wieder!