Freitag, 9. Oktober 2009

Gewusst wo: Pilze in Liguriens Wäldern

Knackige Steinpilze
Die Italiener sind verrückt nach ihm, dem Steinpilz. Im Supermercato liegt er, hübsch drapiert, im Weidenkörbchen. Das Schild weist ihn als waschechten Bulgaren aus. Dabei gibt es auch in den hiesigen Kastanien- und Pinienwäldern die begehrten funghi porcini. Doch die
einheimischen Gewächse sind deutlich teurer und werden immer rarer. Auf den Wochenmärkten sucht man sie inzwischen meist vergeblich. Waren es in der Vergangenheit vor allem die Alten aus den verödeten Dörfern, die schon bei Sonnenaufgang mit Stöcken im taunassen Laub stocherten, zieht es heute an den Wochenenden Heerscharen von Städtern und Vorstädtern in Turnschuhen und mit Plastiktüten bewaffnet hinaus in die Wälder. Ihre Autos säumen dann im Dutzend die Straßenränder an den Berghängen. Heute ist es an pilzträchtigen Wochenenden an jeder Piazza Dante beschaulicher, als in der Campagna.

Die „funghaioli" leben nicht ganz ungefährlich, sind doch im Oktober auch die Jäger in paramilitärisch anmutenden Stoßtrupps unterwegs. „Statt Wildsau Pilzsammler erschossen" ist im Herbst eine wiederkehrende Schlagzeile. Auch „Pilzsammler findet Leiche" liest man immer wieder. Kaum jemand sonst dringt so tief in die verstecktesten Winkel der unwegsamen Steilhänge der Eichen- und Kastanienwälder vor. So wurde kürzlich auch die seit August 2008 vermisste Alzheimer-Patientin aus Dolcedo von einem Pilzsammler entdeckt.

Am Colle Melosa, wo die Gämsen zuhause sind und im Winter die Langläufer ihre Runden drehen, ist es uns passiert, dass der Wagen vor uns abrupt abbremste, aus allen Türen Menschen sprangen und rechts und links der Straßen alles ausrissen, was Ähnlichkeit mit einem Pilz hatte. Ein lustiges Wettrennen begann.

Dort oben sind die Wiesen im Oktober gelb von Goldröhrlingen, einem guten, wenn auch etwas schleimigen Mischpilz, der aber von den meisten Einheimischen verschmäht wird. Auch prachtvolle Parasole (Schirmlinge) stehen in großen Streichen unbeachtet im Walde auf einem Bein. Selbst Pfifferlinge kommen den Italienern  offenbar nicht auf den Tisch und so können diese im Juni in Großfamilien unbehelligt zu wahren Riesen heranwachsen. "Giallini" - immerhin haben die Missachteten einen Namen -  findet man fast ausschließlich getrocknet im Angebot.

Einzig der König unter den Röhrlingen, der Steinpilz, gilt den Ligurern etwas. Er ist derart begehrt, dass das Sammeln von einigen Gemeinden reglementiert werden muss. Braune Schilder weisen am Wegrand darauf hin. Sie sind aber auch Indiz dafür, dass sich genau an dieser Stelle die Suche lohnt. Man sollte sich nicht erwischen lassen. Die Strafen sind empfindlich und man muss obendrein seine Beute abgeben.

Die Regenfälle in der dritten Septemberwoche waren nicht ausreichend, um die Pilze aus dem Boden schießen zu lassen. Und die ungewöhnliche Hitze der folgenden Wochen war auch nicht gerade angetan, die Ausbeute zu steigern. Meist findet man trotzdem genug, um Gäste zu Tagliatelle con funghi einladen zu können.

Morgen wollen wir wieder unser Glück versuchen. Fragen Sie jetzt nicht wo. Soviel sei verraten: Das Tal des Tanero bei Ponte di Nava - ein paar Schritte ins Piemont hinein - ist immer eine Reise wert, auch wegen der grandiosen Landschaft. Findet man nichts, kann man sich im Laden gegenüber der Brücke mit frischen und getrockneten "funghi porcini" und anderen Leckereien eindecken.